Direkt zum Inhalt

Welche Rechte haben Opfer einer Straftat?

Thorben Wengert / pixelio.de

Nebenklage, Adhäsionsverfahren und Opferentschädigungsgesetz

Wer Opfer einer Straftat wird, hat oft lange mit den Folgen zu kämpfen. Körperliche Verletzungen, aber auch psychische Probleme wie etwa posttraumatische Belastungsstörungen können die Betroffenen stark beeinträchtigen. Gleichzeitig müssen sich die Geschädigten um einen Anwalt kümmern, als Zeuge zur Verfügung stehen oder Gutachten und Atteste einholen. Welche Rechte habe ich als Opfer einer Straftat? Wer unterstützt mich während des Prozesses?

 

Nach einer Straftat stehen einem Geschädigten zahlreiche Rechte zu, die sich ab dem Zeitpunkt der Tat bis über die rechtskräftige Verurteilung des Täters hinaus erstrecken – etwa, wenn sich im Nachhinein Spätfolgen zeigen sollten. Roland Weber, Fachanwalt für Strafrecht und Opferbeauftragter des Bundeslandes Berlin, erklärt: „Schon bei der Vernehmung durch die Polizei habe ich das Recht, dass mich dabei eine Vertrauensperson begleitet, zum Beispiel ein Familienangehöriger oder aber auch eine Freundin oder ein Freund.“ In manchen Fällen – vor allem bei Sexualdelikten an Kindern – macht eine Videovernehmung Sinn. Diese hat den Zweck, dass das Opfer nur einmal aussagen und sich nicht wiederholt Befragungen aussetzen muss. „Wichtig ist, dass die Videovernehmung nicht nur durch Polizisten erfolgt, sondern währenddessen auch ein Ermittlungsrichter anwesend ist. Sonst hat die Aufzeichnung später vor Gericht nur eingeschränkten Bestand“, erklärt Weber.

Opferhilfeeinrichtungen beraten kostenfrei

Geschädigte sollten sich möglichst schnell an eine professionelle Opferhilfeeinrichtung wie den „Weißen Ring“ wenden. Dieser ist bundesweit tätig, berät kostenlos und vertraulich und vermittelt spezialisierte Anwälte sowie Therapeuten an Menschen, die Opfer einer Straftat geworden sind. „Diese Einrichtungen verfügen über gut geschultes Personal, das die jeweilige Situation gut einschätzen kann und bei der Bewältigung der weiteren Schritte behilflich ist“, so Weber. Außerdem erhalte man dort einen Scheck für eine kostenfreie Erstberatung bei einem Anwalt – sofern man keine Rechtsschutzversicherung hat und unter einer bestimmten Einkommensgrenze liegt. Handelt es sich um eine besonders schwere Straftat wie etwa schwere KörperverletzungRaubErpressung mit schweren Folgen oder ein Sexual- oder Tötungsdelikt, trägt der Staat von Anfang an die kompletten Anwaltskosten. Wenn Kinder betroffen sind, werden die Kosten im Regelfall sofort vom Staat übernommen. „Möchte man sich selbst nach einem Anwalt umschauen, sollte man darauf achten, dass es sich um einen Fachanwalt für Strafrecht handelt, der Erfahrung in der Beratung von Opfern hat“, betont Weber.

Wichtige Rechte während des Ermittlungsverfahrens

Die Ermittlungen der Polizei können längere Zeit in Anspruch nehmen. Erhebt dieStaatsanwaltschaft Anklage, dauert es ebenfalls eine Weile, bis feststeht, ob es zu einer Gerichtsverhandlung kommt. Es kann deshalb passieren, dass zwischen Tat und Gerichtsverhandlung bis zu einem Jahr vergeht. Das Opfer hat generell das Recht zu erfahren, ob ein Verfahren eingestellt wird und kann ggf. Einspruch einlegen. Außerdem kann man selbst Teile oder Abschriften aus den Akten anfordern oder der beauftragte Anwalt kann Akteneinsicht nehmen. „Es ist durchaus sinnvoll, den Anwalt diese Arbeit übernehmen zu lassen, da man selbst durch die Tat häufig schon genug belastet ist“, weiß der Fachanwalt. Kann man sich den Anwalt finanziell nicht leisten, kann häufig Prozesskostenhilfe beantragt werden.

 

Die Nebenklage als zentrales Opferrecht

Vielen Opfern ist es nach einer Straftat wichtig, in einem Verfahren gegen den Täter als Nebenkläger aufzutreten, da man sich dann selbst aktiv in den Prozess einbringen und das Geschehen verfolgen kann. Das heißt: Man selbst oder der Anwalt kann während dem Verfahren Fragen und Anträge stellen, weitere Sachverständige einbringen, Entscheidungen beanstanden und ein Schlussplädoyer halten. Roland Weber: „Vielen Opfern hilft die Nebenklage bei der Bewältigung und Aufarbeitung der Tat, da sie alles vor Ort mitverfolgen können – selbst wenn die Verhandlung eigentlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet.“ Wird der Täter zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, hat man als Opfer außerdem das Recht zu erfahren, wenn der Täter Hafturlaub hat, die Haft gelockert wird oder er aus der Haft entlassen wird.

Adhäsionsverfahren zur schnellen Entschädigung

Auch während des laufenden Verfahrens können gegen den Täter im Rahmen des so genannten Adhäsionsverfahrens bereits Schadens- und Schmerzensgeldansprüche geltend gemacht werden. Der Begriff „Adhäsion“ ist vom lateinischen Verb „adhaedere = anhaften“ abgeleitet. Damit ist also ein zweites, am ersten Verfahren „anhaftendes“ Verfahren gemeint. „So lange ein Täter noch nicht verurteilt ist, wird er viel daran setzen, um eventuell Strafmilderung zu erhalten – viele sind dann zum Beispiel bereit, einen Kredit aufzunehmen, um dem Opfer etwas zahlen zu können“, ist die Erfahrung des Fachanwalts. Der Vorteil für den Geschädigten im Gegensatz zum Zivilprozess: Er muss keine Gerichtskosten vorstrecken, kommt relativ schnell an einen Titel, also an ein gültiges Urteil, und erhält in vielen Fällen einigermaßen schnell eine finanzielle Entschädigung.

Hilfe durch das Opferentschädigungsgesetz

Ist der Täter nicht in der Lage, entsprechende Entschädigungen an das Opfer zu zahlen, greift in Deutschland das Opferentschädigungsgesetz (OEG). Entsprechende Anträge stellt man beim zuständigen Versorgungsamt. „Dieses Gesetz greift insbesondere dann, wenn durch entstandene Verletzungen etwa besondere Heilkosten anfallen oder Umschulungsmaßnahmen nötig werden. Aber auch zeitlich begrenzte oder dauerhafte Rentenzahlungen können durch das OEG abgedeckt werden, zum Beispiel, wenn ein Opfer nach einer Tat so schwer traumatisiert ist, dass es seinen Beruf nicht mehr ausüben kann“, erklärt Weber. Wichtig zu wissen: Das Opferentschädigungsgesetz tritt auch dann in Kraft, wenn man im Ausland Opfer einer Straftat geworden ist. Voraussetzung dafür ist, dass dort vor Ort Anzeige erstattet wurde. Zurück in Deutschland kann man sich dann ebenfalls an das Versorgungsamt wenden. „Dort sitzt ein ganzer Stab an Experten und Übersetzern, die zusätzlich mit den zuständigen ausländischen Behörden Kontakt aufnehmen, die nötigen Unterlagen anfordern und die Geltendmachung von Rechtsansprüchen im jeweiligen Land sicherstellen“, so Roland Weber.

Quelle: www.polizeideinpartner.de PolizeiDeinPartner.de ist das Präventionsportal der Gewerkschaft der Polizei (GdP)