Anlässlich eine Treffens am 08.04.2016, zur Eröffnung der erweiterten Berliner Gewaltschutzambulanz der Charité, nutzte unsere Außenstellenleiterin und Präventionsbeauftragte Christine Burck die Gelegenheit, um Innensenator Heilmann einige Fragen zum Thema Opferschutz zu stellen. Der Berliner Justizsenator, Herr Thomas Heilmann unterstützt den Opferschutz sehr und setzt sich für die Rechte von Opfern ein. Die Arbeit des WEISSEN RING schätzt er außerordentlich.
Christine Burck: Herr Heilmann, sind Sie schon mal selbst Opfer geworden?
Thomas Heilmann: In Rom wurde ich zweimal bestohlen. In meine frühere Wohnung wurde
eingebrochen. Zum Glück verlief alles ziemlich glimpflich. In meinem Umfeld gab es leider durchaus
schlimmere Erlebnisse und daher weiß ich, wie einschneidend es sein kann, wenn man Opfer von
Gewalt wird oder Einbrecher die Wohnung ausräumen.
Christine Burck: Was heißt für Sie Opferschutz?
Thomas Heilmann: Opferschutz hat zwei Stoßrichtungen: Zum einen praktische, tätige Hilfe für
Menschen, die Opfer von Verbrechen geworden sind. Sie und Ihre Mitstreiter vom WEISSEN RING
leisten da seit vielen Jahren extrem wichtige und gute Arbeit. Dafür an dieser Stelle ein großes
Kompliment und meinen herzlichen Dank. Aus Sicht der Justiz gehört es aber auch zum Opferschutz, Straftäter nicht nur zu überführen und zu inhaftieren, sondern sie während der Haft soweit zu bringen, dass sie im Anschluss keine Straftaten mehr begehen und so niemanden mehr zum Opfer machen.
CB: Gerade zum letztgenannten Punkt höre ich dann bei meinen Gesprächen mit Verbrechensopfern aber häufig: Klar, um die Täter wird sich mal wieder mehr gekümmert als um die Opfer. Was sagen Sie dazu?
TH: Aus Sicht eines Opfers ist dieser Eindruck sicher verständlich. Aber er zeigt nicht das ganze Bild. Gerade in Berlin haben wir in den vergangenen vier Jahren viel getan, um den Opferschutz zu
verbessern. Ich habe mit Roland Weber den bundesweit ersten Opferbeauftragten eines Landes
berufen. Wir haben die Gewaltschutzambulanz eingerichtet, die sich vor allem um Opfer häuslicher
Gewalt kümmert. Außerdem haben wir im neuen Berliner Strafvollzugsgesetz festgelegt, dass der
Opferschutz-Gedanke bei Resozialisierungsmaßnahmen berücksichtigt werden muss.
CB: Wo könnte denn noch mehr passieren?
TH: Auch wenn die Kriminalitätsrate glücklicherweise sinkt: Jedes Opfer ist eines zu viel, das ist völlig klar. Und wir müssen sehen: Wo gibt es Opfer, die wir vielleicht gar nicht so schnell sehen, weil ihr Leiden im Verborgenen stattfindet. In dem Zusammenhang beschäftigt mich das Thema Paralleljustiz sehr: Denn hier haben wir knallharte Unterdrückungsstrukturen zu Lasten Schwächerer. Wir finden das klassischerweise in gesellschaftlich abgeschotteten Kreisen mit patriarchalen Clanstrukturen. Die Opfer sind sehr häufig die Frauen und schwächere Clanmitglieder beziehungsweise Mitglieder eines weniger mächtigen Clans. Die Herausforderung nicht nur für die Justiz besteht darin, Brücken zu diesen unterdrückten Menschen zu bauen und ihnen Hilfe oder besser noch einen Ausweg anzubieten.
CB: Ein weiteres Thema, das nicht nur in Berlin eine große Rolle spielt, sind die Wohnungseinbrüche. Ich höre viele Klagen, dass das Opferentschädigungsgesetz Opfer von Wohnungseinbrüchen nicht berücksichtigt. Dabei leiden Einbruchsopfer oft noch Monate oder Jahre darunter.
TH: Das ist wahr, das Opferentschädigungsgesetz richtet sich in der aktuellen Form an Opfer von
körperlicher Gewalt. Ich habe dazu mit Experten auch schon Gespräche geführt, es ist sicher eine
Gerechtigkeitslücke. Nun ist das Opferentschädigungsgesetz ein Bundesgesetz, aber als
Landesminister werde ich mich dafür einsetzen, diese Lücke zu schließen. Realistischerweise muss ich allerdings sagen, dass es in dieser Legislaturperiode anders als geplant wohl nicht mehr zu einer Änderung kommen wird. Das ist sehr schade.
CB: Was raten Sie Menschen, die Opfer einer Straftat geworden sind?
TH: Zuerst einmal natürlich: Zeigen Sie die Straftat an. Und dann: Lassen Sie sich helfen! Kontaktieren Sie Anlaufstellen wie den WEISSEN RING, wie die Opferhilfe. Reden Sie darüber, was Ihnen widerfahren ist. Kein Opfer sollte das mit sich alleine ausmachen und kein Opfer muss das mit sich alleine ausmachen.
Foto: R. Brüning